AT | 1170 Wien | Besatzungszone 1945-1955 | Kulturschutt der US Army

Wieder einmal leere Flaschen, Tuben und Einwegverpackungen am Waldrand, diesmal in der Nähe der Marswiese im Siebzehnten. Das alleine ist freilich nichts Besonderes für das typische Straßenbankett einer Wohlstandsgesellschaft, in der Recycling und Naturschutz trotz Rohstoffknappheit und Klimakrise iterativ beworben werden müssen.

Dass es sich dabei um den Abfall der 1955 abgezogenen US-Besatzungstruppen Wiens handelt, macht die Müllschüttung durchaus interessant.

Sie bietet erstens Einblick in die amerikanische Gebrauchsgrafik der Kriegs- und frühen Nachkriegszeit; bietet zweitens Datierungsmöglichkeiten über Logos und Codes und hat deshalb industriegeschichtliche Relevanz;

drittens beleuchtet sie durch die Art der Fundgegenstände sowohl die offizielle, militärische als auch die zivile, sehr private Komponente der US-Militärpräsenz im frisch befreiten Wien – darin besteht ihre lokal- und zeitgeschichtliche Relevanz;

viertens mahnen uns die seit der Besatzungszeit in situ liegenden Produkte, wie persistent Abfall unter natürlichen Bedingungen ist. Besonders die Kunststoffanteile der Schüttung – Tubenlackierungen, Flaschenverschlüsse aus Bakelit und Verbundstoffe – sind an der Mehrzahl der Fundstücke trotz mehr als 70jähriger Liegezeit hervorragend erhalten. In anderen Worten: Kaum verrottet.

Die Funde umfassen Hygiene- und Körperpflegeprodukte, Lebensmittelverpackungen, Militaria sowie Teile von KFZ und Sportutensilien. Sie wurden seitens schlot.at geborgen, gereinigt und sofern möglich bestimmt und datiert*.

*…MRÁZ, M., MARKYTAN, C. (2024): schlot.at – Plattform und Archiv für Industriedokumentation. In: Institut für Österreichkunde (Hrsg.): Österreich/Geschichte, Literatur, Geographie. 68. Jahrgang, Heft 4: Industriekultur – Bewahren, erforschen, vermitteln. Beiträge der 73. Historikertagung, Teil 2, Eigenverlag, S. 16-18

Fundverzeichnis :

Gebrauchsglas und Verschlüsse:

  • [1] Weißglas, Anchor Hocking Glass Corporation, Glashütte unbekannt, nach 11.06.1938
  • [2] Weißglas, Owens-Illinois Glass Company, Glashütte „12“ (Gas City/Indiana), datiert [194]4
  • [3] Weißglas „Duraglas“, Owens-Illinois Glass Company, Glashütte „9“ (The Streator/Illinois), datiert [194]5.
  • [4] Weißglas, Seaboard Glass Bottle Company, Pittsburgh/Pennsylvania (1943-1947), Prägung „5“
  • [5] Salbenglas „VICK‘s VAPORUB“, ?Maryland Glass Corporation of Baltimore, VVV-Logo ab ca. 1940
  • [6] Flaconverschluß „LPCo“, Lambert Pharmacal Company, Bakelit; Logo aus dem 2. Weltkrieg
  • [7] Flaconverschluß „CMCo“ oder „MCCo“, Herstellerzeichen der Owens-Illinois Glass Company an der Innenseite, Bakelit; vor 1954
  • [8] Autoscheinwerferglas, Beschriftung „SEALED BEAM GUIDE / MADE IN U.S.A“, „I G C. 50 A 1 2 3“, am Fragment errechneter Durchmesser 7“; US-Norm 1940 – 1956

Hygieneprodukte:

  • [9] Kamm mit Aufdruck U.S. ARM[Y], Gummi; Ausführung aus dem 2. Weltkrieg
  • [10] Siegelfragment für Seifenverpackung, „PALMOLIVE“ Palmolive-Colgate-Peet Co, Jersey City/New Jersey, Zellophan; 2. Weltkrieg
  • [11] Kondomverpackung „SILVER-TEX“, Killian Mfg. Co, Akron/Ohio, Zellophan-Aluminiumverbund; 2. Weltkrieg
  • [12] Kondomverpackung „Texide“, L. E. Shunk Prod. Inc., Akron/Ohio, Zellophan-Aluminiumverbund; 2. Weltkrieg
  • [13] Salbe gegen Geschlechtskrankheiten, „For U.S. Army use only“, The American Product Co., Cincinnati/Ohio, Tube aus Zinn; wohl Teil eines sogenannten „Pro Kit“, 2. Weltkrieg
  • [14] Salbe gegen Geschlechtskrankheiten, „Prophylactic ointment – For Army use only“, G. Barr & Co., Chicago/Illinois, Tube aus Zinn; Teil eines sogenannten „Pro Kit“, 2. Weltkrieg
  • [15] Salbe gegen Geschlechtskrankheiten, „Prophylactic ointment“, Geo. Evans Lab. Inc., Philadelphia/Pennsylvania, Tube aus Zinn; Teil eines sogenannten „Pro Kit“, 2. Weltkrieg
  • [16] Fragment einer grünen Zahnbürste, ovales Logo, Aufschrift „[.]ARK AV[.]NUE […], vermutlich „Du Pont – Park Avenue“, Kunststoff; 2. Weltkrieg
  • [17] Zahncreme „Ipana“, Brystol-Myers Co., New York/New York, Tube aus Zinn; Schraubverschluss „B-M“ aus Bakelit; Truppenausrüstung der US Army, 2. Weltkrieg
  • [18] Zahncreme „Kolynos“, Whitehall Pharmacal Company, New York/New York, Tube aus Zinn; Truppenausrüstung der US Army, 2. Weltkrieg
  • [19] Zahncreme „Listerine“, Lambert Pharmacal Company, St. Louis/Missouri, Tube aus Zinn; Schraubverschluss „LPCo“ aus Bakelit, 2. Weltkrieg
  • [20] Zahncreme „Pepsodent – contains Irium“, Tube aus Zinn; Truppenausrüstung der US Army, 2. Weltkrieg
  • [21] Rasiercreme „Gillette lather shaving creme“, Gillette Safety Razor Co., Boston/Massachusetts, Tube aus Zinn; Truppenausrüstung der US Army, 2. Weltkrieg
  • [22] Rasiercreme „Mennen brushless shave“, The Mennen Co., Newark/New Jersey, Tubenfragment aus Zinn; Bördelrandprägung „48“
  • [23] Rasiercreme „Mennen lather shave“, The Mennen Co., Newark/New Jersey, Tube aus Zinn; Grafikdesign 1945. Finder: Felix PAULIN
  • [24] Rasiercreme „Squibb lather shaving creme“, Tube aus Zinn; undatiert, jedoch nach 22.04.1936 [Patentdatum des Inhaltsstoffes „Lanolor“]
  • [25] Rasiercreme „Swav“, The Norwich Pharmacal Company, Norwich/New York, Tube aus Zinn; undatiert. Patentstreit „Swav“ vs. „Suave“ vom 30.05.1950
  • [26] Rasiercreme „Williams luxury shaving cream“, The J. B. Williams Co, Glastonbury, Connecticut, Tube aus Zinn; Williams-Logo aus dem 2. Weltkrieg

Verbundstoff- und Metallkonserven

[27] Kaffeepulver „Soluble coffee product“, Henry Heide Incorporated, New York/New York, Fragment aus Zellophan-Aluminiumverbund; Teil der „K-Ration/Breakfast“, Truppenausrüstung der US Army im 2. Weltkrieg

[28] Getränkepulver „Grape beverage“, Sunway, Zellophan-Aluminiumverbund; Teil der „K-Ration/Dinner“, Truppenausrüstung der US Army ab August 1943

[29] Getränkepulver „Orange juice powder“, The Junket Folks, Little Falls/New York, Zellophan-Aluminiumverbund; Teil der „K-Ration/Dinner“, Truppenausrüstung der US Army ab Mitte 1943

[30] Getränkepulver „Orange juice powder“, The J. R. Watkins Co, Winona, Minnesota, Fragment aus Zellophan-Aluminiumverbund; Teil der „K-Ration/Dinner“, Truppenausrüstung der US Army ab Mitte 1943

[31] Konservenabriss mit Öffner, Beschriftung „DISTINCTION“ und englische Wortfragmente, Weißblech; wohl 2. Weltkrieg, Kontextfund zu [27] bis [30]

Militaria

[32] Putzstock-Adapter für Schusswaffenreinigung, Messing; Freundliche Auskunft Ing. M. GNEISSL, Wien

[33] Erkennungsmarke der US Army, 3. Version (20.07.1943 – 31.03.1944), Stahl

Sonstiges

[34] Stollen für Football-Schuh, Beschriftung „RIDDELL No 4“, Rosemont/Illinois, Hartgummi; um 1940

1030 Wien | 5020 Salzburg | Johann Weiss Getränkeerzeugung | ~ 1960

Fünf Gewerbefotos um 1960 [1] der 1948 gegründeten [2] Likör-und Getränkefabrik Johann Weiss, Standorte:

  • Zentrale Wien 3., Keilgasse 2
  • Filiale Salzburg, Linzer Bundesstraße 35

Auf den Wiener Portraits posiert ein offensichtlich kriegsversehrter Mann – wohl der Senior-Chef – teils mit Belegschaft vor einem Opel Blitz-Pritschenwagen (Baureihe 1952-1960) [3] und im Innenhof der Wiener Zentrale, wo hölzerne Getränkekisten und Fässer gelagert werden.

In Salzburg werden von zwei jüngeren Angestellten die Fassade und die Geschäftsauslage präsentiert: Johann Weiss – Liköre – Weine – Fruchtsäfte-Rum-Edelbrände-Weine-Sekt-Wermut

Im Folgenden die relevanten Nachweise aus einschlägigen Branchenverzeichnissen:

  • 1953 [5]: Johann Weiss – Likör-, Fruchtsaft-, Wermut-, Dessertwein- u. Spirituosenerzeugung, III., Keilgasse 4
  • 1959 [2]: Weiss Johann, III., Keilgasse 2-4. Fil.: Salzburg, Linzer Bundesstarße 35. Liköre, Weine und Fruchtsäfteerzeugung Marke „Otti“ (Gründung 1948), 32 Beschäftigte […].
  • 1972: Kein Eintrag “Johann Weiss” für Likör- [6] und Fruchtsafterzeugung [7].

Die ehemalige Zentrale in der Wiener Keilgasse zeigt sich anno 2023 kaum verändert; in Salzburg befindet sich statt der Filiale und dem Caféhaus eine Raiffeisenbank-Filiale [4].

Quellen:

[1]…4 Fotos und eine Fotopostkarte L&H, Ch.-Nr. 78744, um 1960, Eigentum Archiv schlot.at (2023)

[2]…Compass-Verlag (1959): Industrie-Compass Österreich 1959, S. 1739

[3]…wiki/Opel Blitz, 29.10.2023

[4]…Google Streetview, 29.10.2023

[5]… Amtliches Telephonbuch Wien 1953, II. Teil: Berufs- und Branchenverzeichnis, Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, S. 503

[6]…Amtliches Telefonbuch Wien 1972, Berufs- und Branchenverzeichnis, Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, S. 601

[7]…ebenda, S. 351

AT | NK | Schleppbahn 1909 – 1955

Neunkirchen verfügte ab ca. 1909 bis zum zweiten Weltkrieg (relikthaft noch bis ca. 1960) über ein weit in die Stadt reichendes Schleppbahnsystem, das Anschlüsse zu folgenden Bahnlinien hatte:

  • Südbahn, Station Neunkirchen über Lokalbahnhof Neunkirchen
  • Lokalbahn Willendorf-Neunkirchen (1909-1942, Personenverkehr bis 1933)

Sinn und Zweck des Schleppbahnnetzes, das eingleisig und teils dreischienig (Normalspurgleis mit zwischengelegter Schmalspurschiene) geführt wurde, war die Versorgung der größeren Neunkirchener Industriebetriebe mit Steinkohle aus Grünbach. Diese Kohle wurde über die 1909 geschaffene Verbindung der Schneebergbahn mit Neunkirchen (Lokalbahn Willendorf – Neunkirchen) in folgende Industriebetriebe geführt:

  • Schraubenfabrik Brevillier – Urban, Werk 1 (Trasse West, 1 Werkszufahrt, 3 Gleise Normalspur)
  • Neunkirchner Druckfabrik (Trasse Ost, 2 Werkszufahrten, 5 Gleise, 1 Drehscheibe, weitverzweigtes Lorengleisesystem)
  • Spinnerei Eltz (Trasse Ost, 1 Werkszufahrt Schmalspur, enger Gleisradius)
  • Schraubenwerk Schoeller&Co, später Brevillier – Urban, Werk II Postgasse), Trasse Ost-Gleisende, 2 Werkszufahrten, 3 Gleise, 1 Drehscheibe)

Diese vier Großbetriebe hatten auf ihren Werksgeländen mehrere Gleise und Weichen. Für die Druckfabrik ist ein ehemals weitverzweigtes System an Hunt- oder Lorengleisen bekannt – siehe auch Abb.1.

Der Trassenteil Ost (Eltz-Spinnerei, Druckfabrik, Schoeller) wurde vm.  in der ersten Dekade nach dem 2. Weltkrieg abgetragen. Auf dem Foto aus 1955 (Abb.3) sind nur noch Trassenreste erkennbar, während das Luftbild aus 1928 (Abb.2) noch eine betriebsfähige Trasse Ost zeigt.

Heute erhalten ist nur noch der Trassenteil West bis zur Wiener Straße (ehem. Einfahrt zu Brevillier – Urban, Werk 1). Die Werksbahn in diesem Gelände bestand baulich bis 2001 – siehe Werksplan 1980 in Abb.4.

Mehr zu den historischen Neunkirchner Industriebetrieben hier.

Bild- und Planquellen: alle Stadtarchiv Neunkirchen, Dir. Albert Hirsch

[1] Ausschnitte aus Trassenplan Druckfabrik und Schoeller&Co (1908), digital weiterverarbeitet

[2] Luftbild 1928 Neunkirchen

[3] Luftbildpostkarte Neunkirchen, um 1955

[4] Werksplan Brevillier&Urban, Februar 1980, digital weiterverarbeitet

A | St | LE | Gaswerk Leoben

Historische Aufnahme des nicht mehr bestehenden Gaswerkes Leoben in der Otto-Glöckl-Straße, das 1884 errichtet wurde. Bis 1961 wurde hier Stadtgas erzeugt, danach erfolgte eine Umstellung auf Mischmethanproduktion. Ab 1973 bis 1978 vollzog sich der Umstieg von Mischmethan auf reines Erdgas. Quelle: Stadtwerke Leoben

Auf dem Detail-Foto sind im linken Bildbereich zwei Gasbehälter zu sehen (unmittelbar über dem weißen zweigeschoßigen Haus).

Im Hintergrund des Überblicksfotos die Stadtpfarrkirche, rechts am Bildrand die Waasenbrücke, gut zu erkennen an der Eisenkonstruktion. Blickrichtung nach SSO.

Foto vm. aus der unmittelbaren Nachkriegszeit. Maße 133x83mm, Eigentum und Copyright schlot_archiv (2010).

Wir danken Fr. Mag. Susanne Leitner-Böchzelt, Leiterin des MuseumsCenters | Kunsthalle Leoben für die Zuordnung des Fotos und Josef Hammerle für die diesbezügliche Anfrage.

schlot_map (bei Google Maps)

[googlemaps http://maps.google.at/maps/ms?ie=UTF8&hl=de&oe=UTF8&num=200&start=200&t=h&msa=0&msid=114207467168440045430.00045e0378ac07fc44e68&ll=47.382871,15.089915&spn=0.001453,0.003208&z=17&output=embed&w=300&h=200]/blockquote>